Die Orgel zum Klingen gebracht

Foto: Kirchengemeinde Langenhain
Hofheim. Am 13. Oktober 2013 wird die restaurierte und völlig neu aufgebaute Langenhainer Orgel wieder eingeweiht. Nach 35 Jahren des Schweigens hat die evangelische Kirchengemeinde sie durch die Unterstützung vieler Langenhainer Bürger wieder zum Klingen gebracht. Das erste Musikstück, ein Werk des Darmstädter Kantors Christian Heinrich Rinck, spielt Jürgen Grün im Festgottesdienst um 14 Uhr in der kleinen Barockkirche in Hofheim-Langenhain, Alt-Langenhain 39. Der Wiesbadener Propst Sigurd Rink wird die Predigt halten und singen wird der Traditionschor des Langenhainer Gesangsvereins. Pfarrerin Susan Genthe hatte in den letzten Jahren für die Idee der Orgelsanierung geworben: “Die wiederhergestellte Orgel ist ein ganz großer Gewinn für unsere schöne Kirche und für den ganzen Ort.“
 
Wegen dieses Festgottesdienstes findet an diesem Sonntag um 10 Uhr kein Gottesdienst statt. Nach der Orgeleinweihung lädt die Kirchengemeinde um 15.30 Uhr zu einer Präsentation über die Orgelrestaurierung ins Gemeindehaus ein. Ursula Schröer vom Kirchenvorstand und Orgelrestaurator Christian Scheffler zeigen die Arbeitschritte, die in den vergangenen Monaten in der Orgelbauwerkstatt und hinter der Kirchentür stattgefunden haben. Auch dazu sind alle Langenhainer Bürger eingeladen. Und um 17 Uhr kommt die Orgel wieder zum vollen Einsatz in einem Konzert mit fünf Organisten und Orgelstücken aus Barock und Romantik sowie einigen zeitgenössischen Kompositionen. Es spielen die Kantorin Katharina Bereiter, Ronny Bereiter, Jürgen Grün, Birgit Koertig und der Orgelsachverständige Thomas Wilhelm. 
 
Die Langenhainer Weigle-Orgel ist eine charakteristische Orgel der spätromantischen Epoche. 1909 hat der schwäbische Orgelbaumeister Friedrich Weigle die Orgel hinter dem original erhaltenen barocken Orgelprospekt der Langenhainer Kirche eingebaut. Sein Instrument hat er als zweimanualiges Werk mit 13 Registern, verteilt auf Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal, sowie 743 Pfeifen, ausgeführt. Neben vielen typisch romantischen Stimmen hat er der Orgel auch das seltene Register Seraphon-Flöte gegeben. Bei der Anmeldung seiner Erfindung zum Deutschen Reichspatent schrieb er: “Intonation: kräftiger, klarer Flötenton, ca. 3-mal so stark als eine Flöte 8’ gewöhnlicher Construction“.
 
Für die umfassende Wiederherstellung im Originalzustand hat die Orgelwerkstatt Christian Scheffler einen Teil der Pfeifen ergänzt, neu intoniert und die alte Pneumatik erneuert. Die Orgelwerkstatt aus dem Brandenburgischen Siefersdorf ist spezialisiert auf die Restaurierung und die Rekonstruktion von mechanischen und pneumatischen Orgeln des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Orgelbauer haben die Windladen und ihre Lederteile sowie die Trakturelemente grundlegend überarbeitet. Ebenso haben sie die Balganlage teilweise neu beledert und mit einem neuen elektrischen Gebläse ergänzt.
Sie haben den Spieltisch originalgetreu nachgebaut und sie haben die Tastatur, die man auf dem Dachboden gefunden hatte, wieder in Gang gebracht. Und sie haben  die pneumatische Traktur nach dem originalen Muster wieder eingerichtet.
Allerlei Schreiner- und Elektroarbeiten sowie Malerarbeiten waren nötig, und zur Schonung des wertvollen Instruments wird noch eine Feuchtigkeitsregelung eingebaut. Als die Heizungsbauer zur Schonung der Orgel die Luftströmung der Heizung veränderten und zur Erweiterung der Heizungskanäle den Fußboden öffneten, stießen sie auf einen tonnenschweren Findling, den sie nur mit einer besonderen Hebetechnik durch die Tür bringen konnten. Jetzt kann man den großen Stein unter der Linde vor der Kirchentür bewundern. 
 
Erfolgreiche Spendenaktion „Zum Klingen bringen“
 
Da die kleine Kirchengemeinde ein solches Projekt nicht aus eigener Kraft stämmen kann, hat sie zur Spendenaktion „Zum Klingen bringen“ aufgerufen und innerhalb eines Jahres die geplanten 116.000 Euro zusammenbringen können. Ursula Schröer, die nicht nur die Orgelrestaurierung, sondern auch das Spendenprojekt geleitet hat, ist stolz auf die Langenhainer und dankbar für die breite Unterstützung: „Der größte Teil dieses Geldes kommt aus Spenden von Langenhainer Bürgern und Vereinen.“ Das Evangelische Dekanat Kronberg hat 10.000 Euro dazu gegeben, ebenfalls 10.000 Euro der Förderverein der Kirchengemeinde, die Denkmalpflege 9.500 Euro und die Sparkassen-Kulturstiftung den selben Betrag. Es gab mehrere Benefizveranstaltungen und 90 Pfeifenpatenschaft im Wert von 12.425 Euro. Jetzt ist Ursula Schröer optimistisch, dass auch die Arbeiten, die zusätzlich nötig geworden waren, durch Spenden abgedeckt werden. Die Evangelische Kirche habe schon 16.000 Euro dazugegeben. „Und den Rest schaffen wir auch noch.“ Ursula Schröer ermuntert zu weiteren Orgelpatenschaften, denn „eine Pfeifenorgel braucht Pflege und Betreuung“. Alle Schritte der Restaurierung sowie die Spendenaktion mit den Pfeifenpatenschaften zeigt die Internetseite www.zum-klingen-bringen.de
 
Die Weigle-Orgel
 
Bereits Friedrich Weigles Großvater Carl Gottlieb Weigle hat seit 1845 in Stuttgart mehr als einhundert Orgeln gebaut. Sein Sohn Friedrich Weigle verlegte die Werkstatt nach Echterdingen und lieferte bereits vor der Jahrhundertwende Orgeln nach Amerika, Afrika und Asien. Die meisten Weigle-Orgeln gibt es in der süddeutschen Heimat der Orgelbauer-Familie Weigle. Es steht aber auch eine Weigle-Orgel ganz in der Nähe, in Bad-Soden-Neuenhain aus dem Jahr 1912. Friedrich Weigle baute ab 1927 auch Orgeln für die ersten Rundfunkstationen in Frankfurt, München und Berlin. Damals gab es noch keine Tonkonserven und die Musik wurde, wie auch im Kino, live gespielt. Weigle setzte mit der elektro-pneumatischen Ansteuerung die damals modernste Technik ein, die es ermöglichte, den Spieltisch getrennt von den Pfeifen aufzustellen. 

(Öffentlichkeitsarbeit - Pfarrer Hans A. Genth)